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  • AutorenbildLisa Gutzelnig

Nachhaltig unterwegs in „grünen“ Wintersportorten

Der Glücksrausch beim Carven auf der schwarzen Piste. Der Geruch von Neuschnee. Der Duft von Germknödeln, wenn man an einer Hütte vorbeiflitzt. Der endlose Blick auf weiße Berggipfel. Skifahren bedient die Sehnsüchte von Millionen Wintersportlern. Doch was sagt die Natur dazu?


Technisch hochgerüstete Infrastruktur, planierte Böden, gerodete Wälder, Beschneiungsanlagen, unzählige Autos in kleinen Tälern: Wie die Grundlage für den Skispaß geschaffen wird, kümmert die Urlauber oft eher weniger. Nach Klimaprotesten, Dürren, Waldbränden und Hitzerekorden werden sich diesen Winter Skisportler verstärkt fragen: Kann ich überhaupt mit grünem Gewissen auf die Piste? Ist nachhaltiges Skifahren möglich?


Nachhaltigkeit und Skifahren – Passt das zusammen?


Auf den ersten Blick nicht, schließlich verbrauchen Lifte und Gondeln, Schneekanonen und Pistenraupen jede Menge Energie. Doch es lohnt sich ein zweiter Blick, und zwar nach Tirol, in die Skiwelt Wilder Kaiser-Brixental. Das Gebiet wurde zum Beispiel 2017 in London mit dem „World Snow Award“ als Öko-Skigebiet des Jahres ausgezeichnet. Der Titel wurde von der britischen Tageszeitung „The Telegraph“ verliehen. Zu Recht. Denn das Skigebiet Wilder Kaiser ist eines der nachhaltigsten der Welt. Es zählt international zu den umweltfreundlichsten Wintersportrevieren und dennoch kann man vergnügt und ohne einschränkende Auflagen Ski fahren, es gibt sogar Lifte mit Sitzheizung.


Was läuft anders?


Tourismus sollte nicht als Selbstzweck gesehen werden, sondern als eine von mehreren Möglichkeiten, die Lebensqualität einer Region zu verbessern. Das haben die Verantwortlichen in Tirol verstanden. Denn sie setzten sich seit jeher nicht nur mit den positiven Seiten – etwa vermehrtes Jobangebot, Infrastrukturverbesserung, Gastronomieaufschwung, mehr soziale Begegnungen – auseinander, sondern auch ehrlich mit den negativen Begleiterscheinungen wie dem Verkehr, dem Energie- und Flächenverbrauch, Lärm, Müll oder Menschenmengen. Und sie finden Lösungen.


2022 erhielt das Gebiet den Klimaschutzpreis der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer für sein Mobilitätskonzept. Ebenfalls im vorigen Jahr schnitten die Tiroler beim Nachhaltigkeitsvergleich des Onlineportals skiresort.de als umweltfreundlichster Skibetrieb der Alpen ab. Und wie sieht es vor Ort aus? Wer in der Skiwelt im Kaisergebirge urlaubt, kann vergnügt und ohne einschränkende Auflagen wie gewohnt Ski fahren.

Bild: www.skiwelt.at

Erstes Skigebiet der Welt mit solarbetriebenem Lift


Über sparsames und ressourcenschonendes Wirtschaften sowie Nachhaltigkeit macht man sich in der Region nicht erst seit ein paar Jahren Gedanken. Immerhin war das Skigebiet weltweit das erste, das bereits im Jahr 2008 in Brixen im Thale einen solarbetriebenen Lift baute. „Da war so eine sonnige Ecke“, erinnert sich Rudi Köck, Geschäftsführer der Bergbahn Brixen, so seien sie auf die Idee gekommen. Heute werden erneuerbare Energie in Form von Pellets und Biomasse zum Heizen der Betriebsgebäude eingesetzt, zudem nutzen Wärmepumpen die Abwärme von Liftanlagen und Transformatoren. Auch mit dieser Technik war man früh dran: Bereits seit 2008 heizt die Rückwärme zweier Bergbahnen das Bergrestaurant „Choralpe“.


Das Skigebiet wird bereits seit 20 Jahren zu 100 Prozent mit Ökostrom aus Wasserkraft versorgt. Daher ist man auch in der glücklichen Lage, Sitzheizungen anbieten zu können, etwa in der Hartkaiserbahn. Auch das Nachtskilaufen wird ausschließlich mit Ökostrom betrieben: Im Bergdorf Söll gibt es zehn Kilometer Pisten, die von Mittwoch bis Samstag jeweils bis 21.45 Uhr hell erleuchtet sind – Söll ist damit Österreichs größtes Nachtskigebiet.


Moderne Pistenraupen


Wie vor Ort konkret Energie eingespart wird, zeigt ein Besuch bei den „Walzingern“, wie die Pistenraupenfahrer in Tirol genannt werden. Ganze 65 Pistenmaschinen sind jede Nacht im Skigebiet unterwegs, um die Pisten für den nächsten Tag zu präparieren. Die Pistenraupen werden nach und nach mit einem GPS-System ausgestattet. Der Stückpreis liegt hier bei 35.000 Euro pro Fahrzeug. „SnowSat“ heißt das ausgeklügelte System der Pistenbulls – es misst die Schneehöhe genau und sorgt dafür, dass Schnee nur noch dorthin verteilt wird, wo er benötigt wird. „Damit spart die Skiwelt Wilder Kaiser seit 2017 rund 25 Prozent an Wasser, Strom und Kosten ein“, sagt Florian Niederacher, Betriebsleiter der Berg- und Skilifte Hochsöll.


Die Sache mit dem Schnee


Nicht all der Schnee, den man auf der Piste zu sehen bekommt, stammt von Frau Holle persönlich. Bei Bedarf wird auch hier künstlich beschneit. Entlang der 270 Pistenkilometer sind insgesamt 1.051 Schneekanonen und 829 Beschneiungslanzen installiert. Wobei am Wilden Kaiser ausschließlich reines Wasser verwendet wird. Chemische Zusätze, etwa Proteine, die das schnellere Gefrieren der Wassertropfen unterstützen, sogar bei Plusgraden, werden nicht beigemischt.


Das Wasser zur Beschneiung spenden insgesamt 16 Speicherseen, gefüllt mit Regen- und Schmelzwasser. Auf die Frage, ob das ausreiche und kein Wasser zusätzlich hochgepumpt werden müsse, antwortet Niederacher typisch tirolerisch: „Normal schon.“ Es reicht also aus. Außer, wenn es nicht ausreicht. Im vorherigen Winter musste in der langen Wärmeperiode im Dezember einmal nachgepumpt werden.


Kunstschnee hat immerhin den Vorteil, dass er einen höheren Wasseranteil besitzt als Naturschnee. Ein Kubikmeter aus der Kanone wiegt rund 800 Kilogramm, doppelt so viel wie der Schnee, der vom Himmel rieselt. Kunstschnee taut deshalb langsamer, hält also länger. Bergbäuerin Johanna Horngacher, die im Gebiet eine Alm und eine Skihütte bewirtschaftet, sagt dazu: „Das Beschneien ist auf jeden Fall besser als früher, als die Leute auf braunen Pisten gefahren sind.“ Das sei für den Boden gar nicht gut gewesen.


Umweltfreundliche Anreise


Am Wilden Kaiser wird die „Grüne Anreise“ schon seit längerem unterstützt: Jeder Gast, der mit dem Zug in Kufstein oder Wörgl ankommt, erhält von 82 teilnehmenden Unterkünften in Ellmau, Going, Scheffau und Söll einen kostenlosen Transfer und kann vor Ort kostenlos Bus fahren. Obendrein gibt es noch zehn Prozent Rabatt auf den Skiverleih. Wer mit dem Elektroauto in den Winterurlaub fährt, kann außerdem mit dem Kauf einer Liftkarte kostenlos Strom tanken, sowohl an der Talstation in Hopfgarten als auch an der Scheffauer Brandstadl-Bahn. Klingt wie im Märchen? Nicht für jeden.


Denn trotz all dieser Angebote reisen aus Deutschland lediglich rund vier Prozent der Wintergäste mit der Bahn nach Tirol. Das Bemühen der Skiorte möglichst ökologisch zu wirtschaften, trägt nur dann Früchte, wenn auch die Gäste mitziehen. Sehr gut gebucht sind die Nachtzüge aus Düsseldorf, Hamburg oder Frankfurt, sagt Pressesprecherin Baumgartner. Doch leider werden davon noch viel zu wenige geführt. Hier sei die Deutsche Bahn am Zug.


Rudi Köck, der Geschäftsführer der Bergbahnen, bleibt weiterhin am Ball. Denn beim Thema Nachhaltigkeit geht es nicht um Perfektion, sondern ums Dranbleiben. Jeden Tag. Gerade hat er die Mülltrennung am Lift eingeführt. Sein neuester Plan: ein Parkplatz mit Photovoltaik und E-Säulen. Wenn die deutschen Urlauber schon bevorzugt mit dem Auto anreisen, dann sollten sie dies bedenkenlos mit dem Elektrofahrzeug machen können.

 

Weitere Winterskiorte, die den Dreh raushaben


Vorreiterrollen punkto verantwortungsbewusstem und ökologischem Reisen: Wir zeigen zwei weitere Ferienorte, die Winterurlaub nach dem Motto „nature reloaded“ gestalten und die Ressourcen vor Ort, Authentizität und hohe Qualität in den Vordergrund stellen.


Zell am See/Kaprun: Gletscherwelten und Wasserkraft


Das Skigebiet Zell am See/Kaprun ist das einzige Gletscherskigebiet im Salzburger Land. Auf 3.000 Metern erleben Wintersportler von Oktober bis in den Frühsommer hundertprozentige Schneesicherheit. Durch die zwei neuen, hochmodernen Seilbahnen „Gletscherjet 3 und 4“ wurde das Höhenskigebiet seit 2015 noch attraktiver.


Der Strom für den Bergbahnbetrieb stammt zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie, genau gesagt aus Wasserkraft. Lieferant sind die großen Kapruner Wasserkraftwerk-Stauseen. Wer sich dafür interessiert, kann sich am Ortsrand von Kaprun selbst ein Bild davon machen. Im Informationszentrum Verbund Kaprun Tal erfahren Besucher an interaktiven Stationen genau, wie Wasserkraftwerke funktionieren und können von einer Galerie aus einen Blick in die beeindruckende Maschinenhalle werfen.


Schladming/Dachstein: Snow-Farming und Naturschutz


Die Wintersportregion Schladming mit ihren 230 Pistenkilometern ist nicht nur ein Paradies für Skifahrer, sondern auch für Langläufer. Auf dem Hochplateau oberhalb von Schladming auf 1.000 Metern Seehöhe liegt der Ort Ramsau, eines der größten Langlaufzentren Österreichs. 1999 fanden hier die nordischen Weltmeisterschaften statt. Im örtlichen Langlaufstadion Ramsau können Sportler sogar nachts über den Schnee gleiten, denn die Loipe ist bis 21 Uhr geöffnet und beleuchtet. Doch woher kommt der Schnee?


15.000 Kubikmeter Schnee unter einer Hackschnitzel-Schicht garantieren den Schnee für die nächste Saison. Um zu Beginn der Saison so wenig wie möglich künstlich beschneien zu müssen, betreibt Ramsau schon seit einigen Jahren aktives Schneemanagement. Beim sogenannten Snow-Farming türmt die Gemeinde jedes Jahr im Februar einen 15.000 Kubikmeter großen Schneehaufen auf. Ganz ohne Chemie lagert die weiße Masse wind- und wettergeschützt unter einer Schicht Hackschnitzel und einer Spezialplane bis zum nächsten Winter. 80 Prozent des Schnees bleiben so erhalten, um dann im November beim ersten richtigen Kälteeinbruch im Stadion für Langläufer verteilt zu werden.



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