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AutorenbildMichaela Hocek

Weltweite Naturreisen: Interview mit Elisa Stoll

In drei Sätzen: Das Familienunternehmen travel-to-nature fördert mit besonderen Reisen Nachhaltigkeitsprojekte. Wert wird u. a. auf den Schutz der Natur und Tiere im Reiseland sowie die Bildung und Unterstützung der Einheimischen gelegt. Im Regenwaldprojekt „La Tigra“ in Costa Rica konnte die Biodiversität innerhalb von zehn Jahren auf 109 Tierarten verdreifacht werden.


travel-to-nature, damals noch „Waschbär-Reisen“, wurde 1994 vom Waschbär-Versand und Rainer Stoll ins Leben gerufen. Man wollte die benötigten Ressourcen für den eigenen Katalog in Form von Bäumen nachwachsen lassen. Costa Rica erwies sich dafür als perfekter Standort. Man engagierte Paul Valenciano für die Aufforstungsarbeiten. Er hatte nicht nur ein außergewöhnliches Wissen über die dortige Umwelt, sondern war hauptberuflich Reiseleiter und überzeugte Stoll schließlich einige Gäste nach Costa Rica zu schicken. 1997 machte sich dieser schließlich mit dem kleinen Reiseveranstalter selbstständig und arbeitet weiterhin eng mit Paul Valenciano zusammen, der ein guter Freund der Familie geworden ist.


Was macht travel-to-nature so besonders?


Seit unserer Gründung vor fast 30 Jahren möchten wir mit unseren Reisen bei travel-to-nature der Natur etwas zurückgeben. Gerade weil der Tourismus besonders von der Schönheit und der Artenvielfalt unserer Umwelt abhängt, ist es für uns selbstverständlich diese so gut es geht zu schützen. Zudem sind wir ein richtiges Familienunternehmen. Neben mir und meinem Vater arbeiten auch mein Bruder und meine Mutter bei travel-to-nature.


Fernreisen gelten allgemein als nicht besonders nachhaltig. Was habt ihr dem entgegenzusetzen?


Das ist richtig, wenn man sich unter dem Aspekt Nachhaltigkeit nur die CO2-Bilanz anschaut, denn die Flüge verursachen in der Tat den größten Teil der Emissionen. Nachhaltigkeit bedeutet aber nicht nur CO2-neutral/-positiv zu sein, sondern auch den Schutz der Natur und Tiere im Reiseland sowie die Bildung und Unterstützung der Einheimischen zu fördern. Das gelingt eben besonders gut, wenn man in die Länder reist.


Ein Beispiel sind die Gorillas in Uganda. Touristen zahlen einen hohen Eintrittspreis für den Nationalpark, um die Tiere in freier Wildbahn zu sehen. Davon werden wiederum Ranger bezahlt, die die Affen rund um die Uhr vor Wilderern schützen. Es werden Arbeitsplätze für die Menschen in der Region geschaffen, die nun vom Tourismus leben und jetzt genug verdienen, um nicht mehr Jagen gehen zu müssen. Der Wert der Natur steigt. Ebenso bei den Nashörnern im Ngorongoro Nationalpark in Tansania, den Jaguaren im Pantanal in Brasilien oder den Tigern im Chitwan Nationalpark in Nepal. Zudem ist es unser Anspruch auch unsere Gäste auf jeder unserer Reisen für die Themen Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren und geben ihnen die Möglichkeit die Projekte vor Ort zu besuchen.


Ihr bietet Individual-, Gruppen-, Foto- und Familienreisen an. Welche Sparte ist besonders beliebt?


Am beliebtesten sind unsere Individualreisen, da unsere Gäste ihren Urlaub nach ihren eigenen Wünschen gestalten können. Dazu zählen oft auch Familien oder private Gruppenreisen, bei denen sich Vereine oder auch befreundete Familien zusammentun und ihre perfekte Reise ausarbeiten lassen. Viele davon mit privatem Guide. Außerdem bemerken wir einen Trend im Bereich Fotoreisen, bei denen Hobbyfotografen gleichzeitig ihr Wissen aufbessern können und dabei immer einen Experten an ihrer Seite haben.


travel-to-nature engagiert sich auch im Artenschutz. Wie kann man sich das vorstellen?


Wir haben das Thema sogar in unserer Vision verankert. Ziel ist es, mit Hilfe unserer Reisen fünf Naturschutzprojekte aufzubauen und die bestehende Artenvielfalt innerhalb der Projekte zu verdoppeln. Einmal ist uns das bereits gelungen. In unserem Regenwaldprojekt „La Tigra“ in Costa Rica konnten wir die Biodiversität innerhalb von zehn Jahren auf 109 Tierarten verdreifachen – gemessen von Wissenschaftern der Uni in San José. Wo früher nur eine pestizidverseuchte Kuhweide war, konnten wir letztes Jahr unseren ersten Puma auf einer Kamerafalle festhalten. Viele seltene Froscharten, wie der La Palma Glasfrosch, sind zurück und sogar Faultiere entspannen jetzt im Geäst. Gelungen ist uns das durch Aufforstung, Anlage von Biotopen und die Verbindung zum mesoamerikanischen Biokorridor. Heute gilt das Projekt als Paradebeispiel dafür, wie Reisen und Naturschutz Hand in Hand gehen können.


Erst kürzlich haben wir unser zweites Projekt „Paramelis“ in Litauen gegründet. Hierfür mussten wir eine NGO gründen, in der unter anderem ich Co-Founder bin. Großes Ziel ist es, die Doppelschnepfe zurückzubringen – ein Vogel, der in dieser Region leider ausgestorben ist, weil Moore für die Landwirtschaft entwässert oder mit Büschen zugewachsen sind und Wälder gerodet und durch Waldbrände zerstört wurden. Das möchten wir mit Hilfe des Tourismus und unserer NGO rückgängig machen. Wir fokussieren uns deshalb auf die Doppelschnepfe, da sie für uns aus zwei Gründen eine Art „Qualitätssiegel“ ist. Zum einen stellt die Doppelschnepfe sehr hohe Ansprüche an ihren Lebensraum, besonders an das Moor. Sind diese hohen Ansprüche erfüllt, ist es ein Zeichen dafür, dass die Moore gesund sind und ideal CO2 speichern können. Der zweite Grund ist die Position der Doppelschnepfe als sogenannte Schirmart, also eine Art, die eine entscheidende Schutzrolle im litauischen Ökosystem spielt. Vereinfacht gesagt - kommt sie zurück nach Paramelis, kommen auch viele andere Tierarten in diesen Lebensraum zurück.


Und das Beste: Obwohl Moore nur etwa 3% der Erdoberfläche einnehmen, sind sie nicht nur ein wunderbarer Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten, sondern speichern gleichzeitig auch mehr als doppelt so viel CO2 wie alle Wälder der Erde zusammengerechnet. Außerdem haben Mitarbeiter jeden Monat die Möglichkeit, in unserem eigenen Artenschutzprojekt in der Nähe des Firmensitzes anzupacken. Hier haben wir ein Biotop für seltene und gefährdete Kröten, wie beispielsweise die stark gefährdete Kreuzkröte, angelegt, das kontinuierlich gepflegt werden muss.


Welchen Meilenstein punkto nachhaltig reisen würdet ihr gerne knacken bzw. der Welt wünschen?


Mein Wunsch wäre es, dass wir alle kritischer hinterfragen, was Nachhaltigkeit im Tourismus wirklich bedeutet und uns nicht einfach ein gutes Gewissen mit einem Ein-Euro-Baum in irgendeinem Entwicklungsland erkaufen. Wir raten unseren Gästen immer, sich die Projekte vor Ort am besten selbst anzuschauen, um zu verstehen, was Artenschutz wirklich bedeutet und wie wichtig er ist - und im besten Fall das Gelernte auf weitere Reisen mitzunehmen.


Dein persönliches nächstes Reiseziel?


Aktuell reise ich durch Südamerika, kann dabei komplett remote arbeiten und gleichzeitig Bild- und Videomaterial für unsere Reiseländer sammeln. Zurzeit lebe ich an der Küste Brasiliens und meine nächsten Reiseziele sind Peru, Ecuador und Kolumbien. In den letzten Wochen bin ich durch die faszinierenden Landschaften Patagoniens gewandert und auch die Salzwüste in Bolivien hat mich sehr beeindruckt.



Regenwaldprojekt „La Tigra“ in Costa Rica

Erdbeerfröschchen in Costa Rica

Gorilla in Uganda

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