Preloved: So gut, wenn nicht sogar besser, als neu
- Michaela Hocek
- 21. März
- 6 Min. Lesezeit
Jedes Mal, wenn eine Neuanschaffung ins Haus steht, die Garderobe um den Typ unterstreichende Kleidungsstücke erweitert werden soll oder einem der Sinn nach einem Makeover der eigenen vier Wände überkommt, sollte man sich dieses Vokabel in Erinnerung rufen: „Preloved“. Was bei vererbten Kostbarkeiten geliebte Tradition ist, wird zunehmend auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu einem breiten Geschäftsfeld.

Antiquitäten, Uhren, Schmuck oder Möbel sind Gegenstände, die uns spontan einfallen, wenn wir auf emotionsbeladene und generationenüberdauernde „Überlebende“ innerhalb der Familie denken. Gefolgt von Mode, die wir schnell und gerne konsumieren – seit jeher auch auf Flohmärkten und digitalen Verkaufsplattformen. Aber es gibt auch Kategorien, wo durchaus noch Aufholbedarf besteht und die wir Ihnen auf den folgenden Seiten näherbringen möchten. Denn ähnlich zu Neuanschaffungen gibt es heute schon viele Unternehmen, die Preloved-Produkte kompromisslos in Sachen Qualität und Style anbieten. Beginnen wir mit ein wenig Luxus.
CPO – Certifified Pre Owned
Dieser Fachbegriff hat sich im exklusiven Uhrenbereich durchgesetzt. Uhrenexperten wie Bucherer bieten in diesem Segment authentifizierte, inspizierte und zertifizierte Markenmodelle an. Luxuriöse Uhren aus Vorbesitz üben mit ihrer Historie eine einmalige Faszination aus. Limitierte Exemplare der Uhrmacherkunst und nicht mehr erhältliche Raritäten werden über die Jahre hinweg zu echten Klassikern. Ein eigens entwickeltes Emblem und zwei Jahre Garantie werden den Qualitätsansprüchen des Traditionsgeschäfts und der Kund:innen von Bucherer gerecht.
Für Einsteiger und Uhrenkenner
CPO-Uhren sind bei dem Unternehmen Bucherer, das auf eine über 130-jährige Firmengeschichte zurückblickt, sorgfältig kuratierte Kollektionen, die präzise generalüberholt und mit Zertifikat ausgestattet werden.
Glänzende Wertschätzung
Auch im Schmuckbereich ist die Faszination nach Unikaten lebendig. Diesem Wunsch kommen Plattformen wie Audrey’s Place oder Dorotheum Juwelier nach. Besonderer Bedacht liegt auch hier auf der Echtheit. Zertifikate dürfen nicht fehlen. Aber auch beim Juwelier des Vertrauens lohnt es sich, mit seinen Lieblingsstücken vorstellig zu werden. Was nicht mehr gefällt oder von älteren Generationen weitergeschenkt wurde und nicht zum eigenen Typ passt, kann fachgerecht umgearbeitet werden.
Mit Echtheitsgarantie
Handverlesene Einzelstücke und Designerstücke gepaart mit langjähriger Schmuckexpertise und geprüfte Qualität können Liebhaber:innen von Audrey’s Place erwarten. Alten Schätzen wird neues Leben eingehaucht. Edelmetallen mit dem nötigen Respekt begegnet, denn der Erhalt von Vorhandenem ist auch im Schmucksegment weit weniger schädlich für Umwelt und Menschen an den Orten der Rohstoffgewinnung von Gold und Edelsteinen. Auch bei der Verpackung wird bei Audrey’s Place darauf geachtet, unnötige Umverpackungen zu vermeiden.
Geliebte Möbelstücke
Sich gemütlich einzurichten, ist wohl eine der emotionalsten Angelegenheiten und gleichzeitig immer auch ein Spiegel unserer gegenwärtigen Lebensphase. Die erste Wohnung sieht ganz anders aus als die erste Familienbleibe oder das Haus, das nach jahrzehntelangen Wunschvorstellungen realisiert wird, wenn es die finanzielle Situation endlich zulässt. So ist es auch nicht erstaunlich, dass „Fast Furniture“, hochwertige Möbel aus Naturmaterialien, maßgefertigte Tischler- und Architektenkollektionen und über Generationen weitervererbte Antiquitäten eine Koexistenz führen. Und dann gibt es noch Unternehmen wie Cocoli, die bei der Neuanschaffung von Interior eine kreislaufwirtschaftswürdige Alternative bieten. Denn vergegenwärtigt man sich, dass laut dem Europäischen Umweltbüro jährlich über zehn Millionen Tonnen Möbel in den EU-Mitgliedsstaaten von Unternehmen wie Verbraucher:innen entsorgt werden, ist das eine Zahl, die man sich nicht in Müllbergen vorstellen möchte. Die „Community für Conscious Living“ – Cocoli – bietet einen Online-Marktplatz mit Vintagemöbeln, Secondhand-Designs aus Privatbesitz, Retouren mit kleinen Schönheitsfehlern und ausrangierte Kollektionen. Partnerschaften mit bekannten Brands wie Sofacompany oder Blomus reduzieren die Zahl sonst entsorgter Möbelstücke. Kund:innen profitieren von reduzierten Preisen bis zu 70 Prozent. Für den Transport kommen anstelle von Kunststoffverpackungen wiederverwendbare Stoffdecken zum Einsatz. Greta Schindler, Co-Gründerin von Cocoli, kennt das Phänomen des Impulskaufs und dem Griff zu Fast Furniture vor allem im Bereich der Dekoration, z. B. bei Seifenspendern, Körbchen oder Nachttischlampen: „Da Lampen, Leuchten und Co. mit ihren Elektroteilen richtig recycelt werden müssen, sind Wegwerfprodukte mit kurzer Lebensdauer hier besonders umweltschädigend. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass viele Käufe auch durch den Preis bestimmt werden – gerade hier lohnt sich ein Blick auf Secondhand oder Outlet Produkte“. Sie ist auch die richtige Ansprechpartnerin, wenn es um größere Dinge geht. „Generell gilt: Je größer das Möbelstück, desto mehr CO₂ wird produziert. Bei einem 4-Sitzer-Sofa sind das im Schnitt zum Beispiel 131,6 Kilogramm CO₂, bei einem Sessel im Vergleich ‚nur‘ 27,6 Kilogramm. Auch Möbel mit Hydraulik oder Elektroparts haben einen größeren Impact. So werden bei der Produktion von Bürostühlen im Schnitt 68,1 Kilogramm CO₂ produziert, für einen Stuhl im Vergleich nur 18 Kilogramm.“ Positives aus diesem Segment: Das Online-Suchvolumen für „Secondhand Möbel“ steigt stetig.
Preloved Interior
Als „Community for Conscious Living“ schenkt COCOLI Vintagemöbeln und Designs mit kleinen Schönheitsfehlern ein zweites Leben. Zur Auswahl stehen sowohl auf Qualität geprüfte Secondhand-Möbel aus Privatbestand als auch Ausstellungsstücke, zertifizierte Vintage-Klassiker sowie B-Ware und neuwertige Outlet-Kollektionen.
Minimieren wir Elektroschrottberge
Wie hoch das Potenzial an der Wiederaufbereitung von Elektrogeräten ist, zeigt nicht zuletzt die Erfolgsgeschichte des Unternehmens refurbed, das 2017 gegründet wurde und mittlerweile auf ein Team von knapp 300 Mitarbeiter:innen baut. Der schnellwachsende Online-Marktplatz für refurbished-Produkte ist heute in elf Ländern aktiv und bietet vollständig erneuerte Elektrogeräte um bis zu 40 Prozent günstiger und mit mindestens zwölf Monate Garantie an. Die CO₂-Einsparungen im Vergleich zur Herstellung eines Neugeräts laut eigenen Angaben von 83 Prozent sind beeindruckend. Die Mission der drei Firmengründer Peter Windischhofer, Kilian Kaminski und Jürgen Riedl ist sympathisch wie notwendig: Die Schaffung weiterer Lebenszyklen für bestehende Produkte und die nachhaltige Veränderung des Konsums. Anlässlich der Apple-Keynote letzten Herbst zeigte sich Windischhofer kämpferisch: „Wenn große Marken die Zukunft gestalten wollen, müssen sie damit beginnen, den gewinngetriebenen Kreislauf der geplanten Obsoleszenz zu durchbrechen, der den Überkonsum und die Verschwendung von Ressourcen anheizt, und echte Verantwortung für ihren ökologischen Fußabdruck übernehmen.“ Falls Sie mit dem Begriff Obsoleszenz bzw. geplanter Obsoleszenz nichts anfangen können: Darunter versteht man, dass Unternehmen die Nutzungsdauer ihrer Produkte durch Verkürzen der Lebensdauer bewusst einschränken, eine Reparatur nicht mehr lohnenswert erscheint und eine Neuanschaffung in den Fokus rückt. Durch professionelles Refurbishment und die gesteigerte Attraktivität von Preloved-Produkten kann diese Strategie durchkreuzt werden. Dass sich dieser Gedanke langsam durchzusetzen beginnt, zeigt nicht zuletzt die laufende Sortimentserweiterung von innovativen Firmen wie refurbed.

Wachsendes Angebot
Anbieter wie refurbed und dessen drei Firmengründer Kilian Kaminski, Jürgen Riedl und Peter Windischhofer zeigen es vor: Die Möglichkeiten Elektroschrott zu vermeiden, sind dank wiederaufbereiteter Küchen- und Reinigungsgeräte von der Kaffeemaschine über den Staubsaugerroboter oder Luftwäscher bis zum Hochdruckreiniger auch im Haushalt mittlerweile einfach möglich – Garantie und Rückgaberecht inklusive.
refurbed.de I refurbed.at
Bewusstsein schaffen
Eine Umfrage von Swappie, dem größten iPhone-Refurbisher Europas, zeigte 2024, dass 61,4 Prozent der Befragten sich des prognostizierten Anstiegs von 82 Millionen metrischen Tonnen Elektroschrotts bis 2030 nicht bewusst sind. Zudem schätzten auch nur 28 Prozent der Befragten ihre Elektroschrotterzeugung pro Jahr korrekt ein. Dazu Robert Fritsche, Country Manager Deutschland: „Dies unterstreicht die entscheidende Bedeutung der Sensibilisierung für E-Schrott und seine schädlichen Auswirkungen auf unseren Planeten.“ Es ist das Ziel des Unternehmens, den Wissenstransfer voranzutreiben, E-Schrott zu bekämpfen und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Denn Elektronik ist die weltweit größte und am schnellsten wachsende Abfallquelle. Umso schockierender, dass weniger als 15 Prozent der Mobiltelefone recycelt und wertvolle Ressourcen verloren gehen. „Die durchschnittliche Lebensdauer eines Smartphones beträgt nur 21,6 Monate und obwohl ein refurbished iPhone 78 Prozent weniger CO₂-Emissionen als ein neues iPhone verbraucht.“, erwähnte Fritsche bereits im Interview unserer letzten Ausgabe.

Wiederaufbereitete iPhones
Die Verlängerung der Nutzungsdauer eines Smartphones um nur ein Jahr kann dessen Lebens zeit-Emissionen um ein Drittel senken. Swappie als Spezialist für die Wiederaufbereitung von iPhones nennt folgende beeindruckende Kennzahl: Ein refurbished iPhone verursacht 78 Prozent weniger CO₂-Emissionen als ein neues Modell. swappie.com
229:16
Mit diesem anschaulichen Verhältnis argumentiert das Unternehmen Rebike für ein refurbished E-Bike. Einer der Spezialisten für professionell überarbeitete und mit einer Garantie versehenen Räder mit Elektromotor liefert weitere Gründe, wie eine nachhaltigere Fortbewegung mit den beliebten Flitzern gelingen kann: Refurbished E-Bikes verlängern die Lebensdauer eines bestehenden Produkts und reduzieren Elektroschrott. Während die Produktion eines neuen E-Bikes etwa 229 Kilogramm CO₂ verursacht, sinkt dieser Wert bei wiederaufbereiteten Modellen auf 16 Kilogramm CO₂ – also um mehr als 90 Prozent. Wiederaufbereitete Modelle namhafter Markenhersteller werden von Rebike über die eigene Plattform, Second-Use-Marktplätze von Partnern wie Decathlon und eBay sowie über das Dienstradleasing-Programm von BusinessBike und in eigenen Flagship-Stores in München und Frankfurt am Main verkauft. Jährlich werden rund 15.000 E-Bikes in einem eigens entwickelten und vom TÜV Rheinland zertifizierten Refurbishment-Verfahren generalüberholt. So trägt das 2018 von Thomas Bernik und Sven Erger gegründete Unternehmen mit seinem zirkulären Geschäftsmodell zur Mobilitätswende, Klimaschutz und zur Schonung begrenzter Ressourcen bei.
Übrigens können auch Fahrradreifen und -schläuche recycelt werden, wie Hersteller Schwalbe seit 2022 beweist. Die mitlaufenden Zahlen auf der Website schwalbe.com zeigten zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels 1.543.310 bisher recycelte Reifen und 12.821.770 recycelte Schläuche an. Gebrauchte Modelle werden dafür bei teilnehmenden Fachhändlern gesammelt, anschließend zum Recyclingpartner Pyrum Innovations transportiert, dort in Gummigranulat, Stahl und Gewebe zerkleinert und durch Pyrum Thermolyse in wertvolle Sekundärrohstoffe umgewandelt, bevor diese in den Produktionszyklus rückgeführt werden. Bei den Schläuchen kann der recycelte Butylkautschuk beispielsweise 20 Prozent eines neuen Schwalbe-Schlauches ohne Qualitätsverlust ausmachen. Dabei werden 80 Prozent weniger Energie verbraucht.
Generalüberholt radeln
Das Refurbishment von E-Bikes fallen laut dem Spezialisten Rebike Mobility aus München nur sieben Prozent der Emissionen im Vergleich zur Neuproduktion an. Für die Käufer:innen ist neben der Umweltfreundlichkeit auch das Preisargument ausschlaggebend. Immerhin sind wiederaufbereitete Modelle bis zu 60 Prozent günstiger wie der Vergleich bei verschiedensten Anbietern zeigt.

rebike.com | revelo.de | velio.de | upway.at

Für Sportbegeisterte
Mittlerweile gibt es in den verschiedensten Sparten wiederaufbereite Trainingsgeräte wie z. B. diverse Ski-Modelle. Zum Start der Wintersaison sagte Peter Windischhofer, Co-Founder von refurbed: „Es muss nicht immer alles neu gekauft werden, was neu angeschafft werden muss.“ refurbed.de | decathlon.de/second-use
Preloved – Where to find
Neben Vintageläden in der näheren Umgebung, Nachbarschaftsflohmärkten, Tauschkreisen, Antiquariaten etc. sind diese Adressen eine gute Idee, um „neue“ Schätze zu finden oder auch nicht mehr Geliebtes zu verkaufen.
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