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AutorenbildLisa Gutzelnig

Minimalismus: Die Kunst des Weglassens

In einer Welt, die ständig besser und schneller werden will, stellt ein Leben nach dem Motto „Weniger ist mehr“ einen herausfordernden Gegenentwurf da. Geht es doch um die bewusste Reduktion von Besitz, Konsum und Aktivitäten


Ähnlich wie bei einem nachhaltigen Lebensstil, bei dem sich das Handeln an der Umweltverträglichkeit ausrichtet, ist der Minimalismus eine weitreichende Entscheidung. Gehören beide zwangsläufig zusammen? Funktioniert Nachhaltigkeit überhaupt ohne Minimalismus? Beide Lebensstile basieren auf der Idee, dass weniger besser ist. Dafür müssen wir unser Handeln kontinuierlich reflektieren und anpassen. Somit können wir unser Leben, wie auch unseren Einfluss auf die Umwelt, verbessern. Doch wie hängen sie konkret zusammen und warum kann radikales Ausmisten sogar kontraproduktiv sein?





Spannende Korrelation


Minimalismus ist ein Lebensstil, der auf Einfachheit und die Reduktion auf das Wesentliche abzielt. Es geht darum, bewusste Entscheidungen zu treffen, unnötigen Konsum zu reduzieren und nur das zu behalten, was einen wirklichen Wert oder Zweck in unserem Leben hat. Nachhaltigkeit hingegen konzentriert sich auf die langfristige Bewahrung unserer Umwelt, indem wir Ressourcen sparsam und verantwortungsbewusst nutzen. Dies bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die nicht nur unseren eigenen Bedürfnissen entsprechen, sondern auch die der zukünftigen Generationen berücksichtigen. Es ist daher wenig überraschend, dass Minimalismus und Nachhaltigkeit eng miteinander verknüpft sind.


Minimalismus im Kopf – die Veränderung des Konsumverhaltens


„Das Glück liegt in uns und nicht in den Dingen“, sagte einst der Begründer des Buddhismus. Damit meinte er, dass wir uns Zufriedenheit und Glück nicht kaufen können. Klar, eine schöne Vase oder ein neues Kleid zaubern uns für einen kurzen Moment ein Lächeln auf das Gesicht. Doch oft wissen wir am nächsten Tag nicht, welche Schuhe wir dazu anziehen sollen und das Kleid bleibt lange Zeit ungetragen im Schrank hängen. Nach ein paar Monaten macht es uns vielleicht sogar schlechte Gefühle, weil wir Geld für etwas ausgegeben haben, das wir nicht tragen.

Wer sich dafür entscheidet, minimalistisch zu leben, versucht von vornherein nur Dinge zu kaufen, die einen wirklichen Nutzen haben. So verhindern wir den Versuch, uns Zufriedenheit zu erkaufen. Sorgen, Probleme oder sonstige Unzulänglichkeiten werden nicht mit Konsum betäubt, stattdessen wird die Perspektive geändert und das Verständnis geschärft, was langfristig glücklicher macht.


Minimalismus als Fokus auf mentale Gesundheit


Gleichzeitig hat weniger zu konsumieren auch den Vorteil, dass wir weniger Geld ausgeben und mehr sparen können. Oft vergessen wir, dass das, was wir kaufen uns Zeit kostet, denn wir müssen dafür arbeiten. Aber auch der Shoppingvorgang an sich kostet uns wertvolle Zeit. Erstehen wir weniger und sparen Ressourcen in vielerlei Hinsicht, können wir wirklich große Träume verwirklichen und unvergessliche Erlebnisse wie nachhaltiges Reisen schaffen. Oder wir können uns überlegen, bewusst weniger zu arbeiten, um mehr Freizeit zu haben. Minimalismus bedeutet auch Zeit für Dinge zu haben, die mit unseren Werten harmonieren.


Einer der größten Vorteile des Minimalismus ist es jedoch, mehr Ordnung, Klarheit und Struktur im Leben zu erlangen. Sind die Schubladen nicht mehr vollgestopft und lässt sich für jeden Gegenstand ein Ort finden, wirkt sich das auch positiv auf unser Stresslevel aus. Vielen kennen das Gefühl, sich im Moment des Öffnens des Kleiderschranks beinahe erschlagen zu fühlen. Drängt sich vieles so dicht nebeneinander, dass man kaum einen Bügel rausbekommt, drückt das auf Stimmung und Wohlbefinden. Durch Unordnung und Chaos im Außen, fühlen wir uns permanent gestresst, unwohl und können uns schlecht konzentrieren. Wir brauchen äußere Klarheit, um klare Gedanken fassen und uns fokussieren zu können. Haben wir Ordnung und Struktur in unserem Alltag, geht die Arbeit leichter von der Hand. Wir fühlen uns tagsüber ruhiger, wenn wir auf leere Flächen auf dem Tisch oder der Kommode schauen.


Übermäßiges Ausmisten ist nicht nachhaltig


Dennoch bedeutet dies nicht, dass minimalistisches Handeln per se nachhaltig ist. Der Einstieg in diesen Lebensstil beginnt oftmals mit Entrümpeln. Tipps und Ratschläge gibt es dazu jede Menge: Vom Beziehungsprinzip, das davon ausgeht, alles loszuwerden, was wir nicht besonders schätzen bis zum Schachtelprinzip, bei dem Dinge, die eine bestimmte Zeit in Kartons ohne Benutzung herumbummeln, verschwinden dürfen. Dabei geht es oftmals ziemlich radikal zu. Ganz nach dem Motto „je mehr, desto besser“.


Die Vorteile liegen auf der Hand: Diese Art des Handelns ist schnell und effektiv. Leider oftmals zu rasant und bei genauerem Hinsehen gar nicht effizient. Denn wer zu schnell entrümpelt, kauft oftmals doppelt. Wenn wir beispielsweise merken, dass man die entsorgte Bohrmaschine doch wieder benötigen würde oder Omas Teeservice plötzlich schrecklich vermissen. Trennen wir uns übereilt von Dingen, laufen wir Gefahr, dass wir sie zu einem späteren Zeitpunkt neu kaufen müssen.



Es kann daher nicht das Ziel sein, möglichst viel möglichst schnell loszuwerden. Vielmehr bedeutet Minimalismus Reflexion über Besitz und Konsum. Wir befinden uns in keinem Wettbewerb, bei dem derjenige gewinnt, der am schnellsten am wenigsten hat. Wenn wir Dinge, die wir nicht mehr wollen oder benötigen, einfach wegwerfen, landen sie auf Deponien, werden verbrannt oder zu Lagerstätten auf anderen Kontinenten verschifft. Zudem verschwenden wir Ressourcen, wenn wir Produkte vor ihrer Lebensdauer entsorgen. Allesamt Prozesse, die als Brandbeschleuniger punkto Umweltverschmutzung und Klimakrise zu sehen sind.


Glückliche Menschen sind nicht gut fürs Geschäft


Was macht einen zufriedenen Menschen aus? Er muss nichts kompensieren, er muss sich nicht schmücken oder seinen Frust durch Anhäufung von materiellen Sachen betäuben. Wer zufrieden ist, konsumiert nur das Nötigste. Kurzum: Glückliche Menschen sind nicht gut fürs Geschäft. Denn ein zufriedener Mensch ist glücklich mit dem, was er hat, und mit dem, was er ist und konsumiert daher nur das, was er wirklich benötigt. Wirtschaftswachstum funktioniert aber anders. Das Wachstumsrad dreht sich nur dann, wenn wir in immer kürzeren Abständen immer mehr Dinge kaufen. Überspitzt formuliert zielen Wirtschaft und Werbung hauptsächlich darauf ab, uns für vermeintliche kurzfristige Seelentröster empfänglich zu machen und mit den damit verbundenen Versprechungen, die Motivation steigern, unsere Geldbeutel zu zücken, um nach dem Erwerb eines Produktes schöner, besser oder gesünder weiterleben zu können.

Schnell hat man nach einem Fernsehabend das Gefühl, dass wir nur dann so cool wie George Clooney sind, wenn wir Kaffee aus Kapseln trinken oder wir nur dann gut in den Tag starten, wenn wir in der Früh in einen kalorienreichen Snack beißen. Es wird behauptet, dass Wasser in Plastikflaschen besser schmeckt und gesünder ist als Leitungswasser. Man erzählt uns von Risiken, auf die wir selbst nie gekommen wären, um uns eine Versicherung schmackhaft zu machen. Man warnt uns, dass wir unseren Alltag in Zukunft nur bewältigen können, wenn wir uns von Sprachsteuerung durch den Tag begleiten lassen. Man hypt Logos, um uns ein Monatsgehalt für ein neues Technikaccessoires zu entlocken.


Fazit


Nachdenken und Recherche führen Kaufimpulse oft ad absurdum. Kaufen kostet Energie. Bewusste Menschen jedoch bündeln ihre Kraft. Je mehr davon konzentriert ist, desto zielsicherer und effektiver wird sie eingesetzt. Viele Dinge um uns herum nehmen uns durch Ablenkung die Kraft und schwächen unsere Konzentration. Die Höhe der Müllberge und das Tappen in die Kostenfalle könnte einfach verhindert werden. Praxisbeispiele: Gewöhnen Sie sich an, die Kilopreise auf Regaletiketten zu vergleichen. Bedenken Sie, dass Leitungswasser bis zu 250 Mal günstiger als Flaschenwasser ist und dessen Qualität streng kontrolliert wird und in Blindtests oft besser als das Pendant aus dem Supermarkt abschneidet. Versicherungen müssen lediglich existenzbedrohende Risiken absichern. Und nicht jedes Gadget muss umgehend in den eigenen Besitz wechseln, oft sind die Helferlein dafür verantwortlich, dass es uns immer schwerer fällt, den Alltag zu bewältigen. Denn jeder Gegenstand giert letzten Endes nach unserer Aufmerksamkeit und Zeit. Wer wachsam ist und in sich hineinhört, erkennt, dass medial geschürte Ängste und Bedürfnisse gar nicht die eigenen sind. Oft wird uns ein Mangel eingeredet oder Unzufriedenheit generiert, wo gar keine existiert.

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